k+a 2016.4: Festsäle

Eine Tour d’Horizon durch unser aktuelles Heft zeigt, dass die Raumgattung Festsaal auf einer vielschichtigen und breit geformten Tradition aufbaut. Die Entwicklung – von Bauern- und Zunftstuben über festliche Säle in Burgen, Rathäusern, Schlössern und Klöstern bis hin zu Stadtpalästen, Hotels und Universitäten – verdeutlicht, dass jedes Fest und jeder feierliche Anlass seine ganz besonderen gestalterischen Anforderungen stellt. Erweitern wir das Spektrum, so zählen auch die temporären Festbauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und die vielen umgenutzten Werk- und Produktionshallen dazu, die heutzutage für unterschiedlichste kulturelle Veranstaltungen genutzt werden: Wo einst Bier gebraut oder Schiffe gebaut wurden, finden heute Konzerte, Partys oder Theaterspektakel statt – Industriebauten werden zu Festhütten und kulturellen Hotspots.

Viele Bauten dieser Gattung sind Gesamtkunstwerke, und in besonderer Weise trifft dies auf die Festsäle in Hotels zu: Hier finden wir im beginnenden 20. Jahrhundert eine Pracht der Ausstattung und der künstlerischen Themen, die einmalig ist. Die Veränderung der eigentlichen Festkultur und der Wandel zur modernen Dienstleistungsgesellschaft offenbaren sich besonders eindrücklich, wenn wir uns den Gegensatz zwischen den märchenhaften Hotelfestsälen der Belle Epoque und den Industriehallen der Gegenwart vor Augen führen: Wo ehedem Stuckarbeiten und Malereien die Räume schmückten, setzen heute Lüftungsschächte, Metallträger und Kabelstränge die nüchternen ästhetischen Akzente.

 

Essay | Essai | Saggio
Pasquale Zarriello
Festsäle – Vielfalt und Wandel

Zusammenfassung
Festsäle waren seit je Gesamtkunstwerke – sie treten über die Jahrhunderte vielfältig geformt und ausgestattet in Erscheinung. Sie gehören zu jenen Raumgattungen, die eine sehr lange Tradition aufweisen: Bauernhäuser, Zunftstuben, Rathäuser, Burgen, Schlösser, Klöster, Stadtpaläste, Universitäten, Gesellschaftsbauten, Hotels und Kulturbauten haben innerhalb ihrer Gebäudekomplexe meist einen oder mehrere Festsäle, in denen Besucher sich standesgemäss verhalten oder gar mit der Etikette brechen durften. So dokumentieren Festsäle den gesellschaftlichen Wandel in Europa auf eindrückliche Art und Weise.

 

Dossier 1
Jürg Schweizer
Der Festsaal im Schloss Spiez von 1614
Dank hochbegabter Stuckateure wird die alte Burg im 17. Jahrhundert in ein strahlendes Schloss verwandelt

Zusammenfassung
Franz Ludwig von Erlach war ein bedeutender Politiker in der Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Als Inhaber der Gerichtsherrschaft Spiez mit ihren Gütern gestaltete er von 1598 bis 1627 die mittelalterliche Burg im Inneren sukzessive in ein repräsentatives Schloss um. Die neu zum Vestibül umgewandelte Erdgeschosshalle, die Halle im ersten Stock, den geräumigen Korridor, eine Stube und den grossen Festsaal liess er durch Künstler der Familien Castelli aus Melide und Brando ausstuckieren und schuf damit In Vorwegnahme barocker Gestaltungsprinzipien ein Stuckensemble, wie es zu dieser Zeit im Profanbau unbekannt war. Erhalten haben sich, nachdem die Stuckaturen bis 1939 als Werke des 19. Jahrhunderts galten, nur jene im zweiten Stock. Die auch heute frappierende Wirkung des lichten Saals beruht auf der ausschliesslichen Verwendung des hellen ungefassten Stucks und der Erzählfreude der umlaufenden Relieffriese mit den Legenden vom Verlorenen Sohn und von Susanna und Daniel.

 

Dossier 2
Alexandra Ecclesia
Le décor en stuc du Château de Nyon
Un projet ambitieux resté inachevé ?

Zusammenfassung
Das Stuckdekor im Schloss Nyon
Im Jahr 2000 wurden anlässlich der letzten Restauration des Schlosses Nyon gegen 150 Stuckfragmente entdeckt, die vermutlich zur Ausschmückung eines grösseren Raums des Schlosses gehörten. Es handelt sich zweifellos um ein unvollendetes Projekt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Aufgrund fehlender dokumentarischer Quellen und der sehr fragmentarischen Erhaltung des Dekors wurde eine stilistische Analyse vorgenommen. Der Artikel befasst sich mit den repräsentativsten Ensembles, die aufgrund ihrer Morphologie zusammengestellt wurden, um sie dank ihrer Typologie möglichen Vorbildern zuordnen und datieren zu können. Die aktuelle Studie wird weitere Parallelen aufzeigen, so dass vielleicht sogar eine Rekonstruktion dieses für die Region aussergewöhnlichen Gesamtkunstwerks realisiert werden kann.

 

Dossier 3
Bernhard Furrer, Marcel Berthold
La salle de l’Inter à Porrentruy, au centre de la vie sociale
La renaissance d’une salle polyvalente à Porrentruy

Zusammenfassung
Im Zentrum des gesellschaftlichen Lebens : der Saal des Hotels International in Porrentruy
Das Hotel International in Porrentruy gehört zu den seltenen Beispielen bedeutender Architektur und Innenausstattung des Jugendstils im Kanton Jura, hier in einer zurückhaltenden Ausprägung. Auch wenn der Hotelbetrieb keinen wirtschaftlichen Erfolg hatte, wurde der grosse Theatersaal zu einem kulturellen, politischen und sozialen Mittelpunkt. Dank den Spenden Privater konnte die Gemeinde den Komplex kaufen und restaurieren lassen. Es stellten sich dabei die grundsätzlichen Fragen, welche Änderungen an der historischen Substanz zuzulassen seien, wie gross der für den Betrieb für unerlässlich gehaltene Neubau des Bühnenhauses sein dürfe und wie er sich in die intakte Altstadt einzufügen habe. Dabei stand die Überlegung im Vordergrund, dass die Funktion namentlich des Saals als gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt gewährleistet werden sollte. Die Restaurierung der Innenräume brachte eine reich differenzierte Farbigkeit von Stuckaturen und Wänden zutage, die zumindest in Teilen wiederhergestellt wurde.

 

Dossier 4
Roland Flückiger-Seiler
«Der Märchenzauber König Laurins …»
Von der einfachen Gaststube zum luxuriösen Hotel-Festsaal

Zusammenfassung
Festsäle als Höhepunkt des Hotellebens in der Belle Epoque bilden den räumlichen Höhepunkt und Abschluss einer langen Entwicklungsreihe bei den Gemeinschaftsräumen in der Hotellerie des 19. Jahrhunderts. Ihre Geschichte begann mit einfachen, zweckmässigen Gaststuben in den Gasthöfen um 1800. In den 1830er Jahren hielten die ersten mit Stuckaturen verzierten Speisesäle Einzug in den repräsentativen Hotelbauten. Drei Jahrzehnte später fügten innovative Architekten den Speisesaal als Annexbau an die immer grösseren Gebäude, die sich nun oftmals als Grandhotel bezeichneten. In der Regel waren diese Säle nun mit zahlreichen Stuckaturen und Malereien ausgeschmückt. In den Luxushotels der Belle Epoque, bei denen sich der Name Palace auch in der Schweiz verbreitete, ergänzte vielerorts ein Festsaal den bereits reichen Fächer an Gemeinschaftsräumen, oftmals ausgestattet mit einer Bühne, allenfalls sogar mit Logen und Balkonen. Festsäle als frühe Form eines Mehrzweckraums finden sich zudem im frühen 20. Jahrhundert auch bei zahlreichen ländlichen Gasthöfen.

 

Dossier 5
Nicole Froidevaux
Modeste mais coquette
La Grande Salle de l’hôtel de la Truite à Champ-du-Moulin

Zusammenfassung
Klein, aber fein: der grosse Saal des Hôtel de la Truite in Champ-du-Moulin
Das Hôtel de la Truite entstand Ende des 19. Jahrhunderts auf Anregung von Naturfreunden und Liebhabern pittoresker Landschaften im ländlichen und zugleich frühindustriellen Weiler Champ-du-Moulin als Kontrapunkt zu den umfangreichen industriellen Anlagen, die auf dem Talboden der Areuse erbaut wurden. Das am Weg durch die Areuseschlucht gelegene und in einem ehemaligen Bauernhaus untergebrachte Hotel und sein 1906 vom Architekten Henri Chable erbauter Festsaal wurden kürzlich umfassend restauriert. Der grosse Saal zeichnet sich durch seine Heimatstil-Architektur mit ornamentaler Schablonenmalerei aus. Er ist mit seiner gut erhaltenen Gesamterscheinung ein für den Kanton Neuenburg einzigartiges Beispiel eines in einem frei stehenden Hotelnebenbau realisierten Festsaals.

 

Dossier 6
Vincenza Sutter
Le sale per le feste nel concetto di riconversione della Fabbrica Tabacchi
Incontro fra culture e polifunzionalità al Centro Dannemann di Brissago

Zusammenfassung
Kultur und Multifunktionalität im Centro Dannemann in Brissago
Die Festsäle des Centro Dannemann sind Teil der Umnutzung zu einem multifunktionalen Zentrum, der die Fabbrica Tabacchi in Brissago kurz vor der Jahrtausendwende unterzogen wurde. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Anlage wurde Ende der 1930er Jahre durch den Locarneser Architekten Bruno Brunoni (1906–2000) instand gestellt und entwickelte sich in der Folge zu einer regionalen Referenz. Obschon im 20. Jahrhundert eine sinkende Produktionskapazität zu verzeichnen war, konnte die Fabbrica Tabacchi ihre strategische Lage am See nutzen und sich erneuern. Ihre 150-jährige Präsenz vor Ort dokumentiert die sozioökonomischen Entwicklungen, die hier stattfanden. Der See ist auch in den nach innen orientierten Räumen der Manufaktur präsent und erlebbar und bietet einen idealen Hintergrund für festliche Anlässe.

 

Dossier 7
Bruno Corthésy
Jean-Jacques Mennet, peintredécorateur de grandes salles

Zusammenfassung
Jean-Jacques Mennet, Dekorationsmaler grosser Festsäle
Jean-Jacques Mennet (1889–1969) schmückte im Verlauf seiner Karriere, die in der Zwischenkriegszeit ihren Höhepunkt erreichte, zahlreiche Waadtländer Festsäle mit Wandmalereien aus. Hervorzuheben sind insbesondere die beiden Festsäle in Nyon von 1932 und in La Tour-de-Peilz von 1935. Dank der Bekanntschaft mit den Architekten Alphonse Laverrière und Eugène Mamin dekorierte er auch Kino-, Theater- und Restaurantsäle und betätigte sich mit ungestümer Schaffenskraft auch als Illustrator, Plakatmaler und Designer. Er wirkte zudem als Lehrer und Publizist und schuf die bemerkenswerte Zeitschrift Vie, art et cité. Heute ist er etwas in Vergessenheit geraten, von seinen monumentalen Werken sind nur noch wenige zu sehen. Es ist erstaunlich, dass derart grosse Kunstwerke in so bekannten Räumlichkeiten praktisch allesamt verschwunden sind!

 

Dossier 8
Patrick Schoeck-Ritschard
Auf Zeit gebaut
Temporäre Festbauten der nationalen Verbände

Zusammenfassung
Aufgrund ihres zumeist temporären Charakters haben sich nur wenige gebaute Zeugnisse der Schweizer Festkultur des 19. und 20. Jahrhunderts bis heute erhalten. Die in grosser Zahl überlieferten Bild- und Textdarstellungen der Eidgenössischen Turn-, Schützen- oder Sängerfeste ermöglichen gleichwohl Einblicke in die Architektur und Dekoration der einstigen Festbauten und -gelände. Das Baumaterial der Festhallen und Nebengebäude, in denen mehrere tausend Gäste untergebracht werden konnten, war vornehmlich Holz. Waren die Bauten an sich eher schlicht gebaut, kam der Ausschmückung mit Fahnen, Bannern, Gemälden und Kulissen die zentrale Rolle zu, das Selbstbild der nationalen Verbände als Sammelbecken von Gleichgesinnten zu visualisieren und nach aussen zu tragen.

 

Dossier 9
Simon Baur
Vom Ballet mécanique zum Hochzeitsmarsch
Wie Industrieanlagen und Werkhallen zu Festsälen werden

Zusammenfassung
Der wirtschaftliche Wandel der vergangenen Jahrzehnte, die Auslagerung von Produktionsstandorten nach Übersee sowie Schliessungen und Fusionen von Unternehmen haben dazu beigetragen, dass zahlreiche Industriestandorte in der Schweiz dem Erdboden gleichgemacht oder für neue Zwecke umgenutzt wurden. Ob in Maschinenbaubetrieben, Brauereien oder in ehemaligen Wasserwerken: Ganz unterschiedliche Mieter haben sich dort breitgemacht und nutzen die Räume für ihre eigenen Bedürfnisse. An den meisten Orten entstanden auch Restaurationsbetriebe, in denen unterschiedlichste Feste gefeiert werden. Für Hochzeiten in Weiss eignen sie sich weniger, wer es rustikaler mag, ist in ehemaligen Fabrikanlagen aber gut aufgehoben – drei Beispiele in Zürich und Basel illustrieren das.

 

KdS | MAH | MAS

Les espaces et édifices publics de la ville de Genève
Présentation officielle du 129e volume des Monuments d’art et d’histoire de la Suisse

Ein Schlussstein in zweifacher Hinsicht
Buchpräsentation des 131. KdS-Bands zur Grossstadt Zürich 1860–1940

Fruchtbare Zusammenarbeit im interdisziplinären Team
Arbeitstagung anlässlich der Projekthalbzeit des KdS-Bands BS X zum Basler Münster

Canton Ticino, Distretto di Locarno IV
Il libro elettronico

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Nicole Pfister Fetz, lic. phil. I, Präsidentin GSK
Billet de la présidente
Variablen und Konstante

 

Publikationen der GSK | Publications de la SHAS | Pubblicazioni della SSAS
Schweizerische Kunstführer Serie 99/100

 

Zum Gedenken an Georg Germann
1935–2016

 

Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero

  • Die Seele Japans
    Zen-Gärten, Tempel, heisse Quellen und Teezeremonien
  • Landschaften der Eleonore von Aquitanien
    Unterwegs in Poitou, Touraine, Anjou

 

Bücher | Livres | Libri

  • L’architecture religieuse en Suisse romande
  • Die frühe Marmorskulptur aus dem Kloster St. Johann in Müstair

 

Impressum | Impressum | Colophon

Preis: CHF 25.00

Spezialpreis für Mitglieder: CHF 20.00
Abbildungen: 130
Seitenzahl: 88
Reihe: Kunst + Architektur
Orte / Gemeinden: Schweiz / Suisse / Svizzera
Autoren: Diverse
Artikelnummer: K+A-2016.4
Inhaltssprache: Deutsch, Französisch, Italienisch
Erscheinungsdatum: 16.12.2016
ISBN: 978-3-03797-245-8
Bestellungen: über Webshop (www.gsk.ch) oder Buchhandel.