k+a 2015.1: «Künstlerhaus und Ateliers»

Beschreibung:
Der Philosoph Michel Foucault hat den Raum, in dem Künstlerinnen und Künstler ihre Werke schaffen, zu den «espaces autres» gezählt – Atelier und Künstlerhaus sind also nie bloss Werkstatt und Produktionsraum, sondern auch ein mythischer Ort. Ein Kultraum, in dem – von der Aussenwelt zurückgezogen – Kreativität und Inspiration Neues schaffen. Es ist aber – neben der Aura des Geheimnisvollen –, zugleich Treffpunkt von Künstlern, Sammlern, Kritikern und Literaten, ein öffentlicher Ort, wo die neuesten Werke und Erzeugnisse präsentiert werden. Das individuelle Atelier und seine architektonische und bildnerische Gestaltung sind immer auch Ausdruck des Selbstverständnisses von Künstlern. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat dieser Ort eine Umdeutung erfahren – der Verlust künstlerischer Autonomie, der «Tod des Autors» liess die Aura des Mythischen verblassen. Und seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat man den Eindruck, dass neue künstlerische Prozesse und Techniken das Atelier eher zum Labor oder Schnittplatz machen, wo ein Laptob als Ausstattung genügt. Deshalb darf man heute wohl eher von einer «Phänomenologie » denn einer «Typologie» des Ateliers sprechen. Im Rahmen dieser «Phänomenologie» und ganz unterschiedlicher persönlicher Eindrücke unserer Autorinnen und Autoren zeigt die Frühlingsausgabe von k+a auch biographische Bezüge zu den Künstlern und ihren Schaffensphasen. Ich hoffe, dass der Blick hinter die Kulissen hilft, in den Spuren künstlerischer Produktion und Inspiration zu lesen.

Dossier 1
Brigitte Maier
Sophie Taeuber-Arps architektonisches Masterpiece
Das Atelier- und Wohnhaus der Arps in Clamart

Zusammenfassung
Das Atelier- und Wohnhaus der Arps in Clamart (1927–1928), entworfen von Sophie Taeuber-Arp, ist ein starkes architektonisches Statement des Künstlerehepaares. Von aussen wirkt es mit seiner Natursteinfassade wie eine archaische Skulptur, im Inneren überraschen helle und lichte Räume. Durch die Reduktion auf die geometrische Grundform eines Quaders, bei gleichzeitiger Verwendung von regionalem Naturstein als Baumaterial, setzt Taeuber-Arp das Haus in scharfen Kontrast zu konventionellen Mustern der Umgebung. In Paris gehört das Haus zu den ersten Bauten der Moderne, die auf eine glatt verputzte Fassade verzichten. Taeuber-Arp setzt bei der Gestaltung des Hauses Kontraste als wesentliches gestalterisches Mittel ein. Das Kombinieren verschiedener Materialien, die Konfrontation des Gegensätzlichen und das Arbeiten mit vorgefundenen Materialien sind künstlerische Strategien des Dadaismus und Surrealismus, die in der Kunst beider Arps eine wichtige Rolle spielen. Obwohl dieser radikale Umgang mit «rohen» Materialien in der Architektur Ende der zwanziger Jahre genauso bemerkenswert ist wie das Übertragen künstlerischer Methoden der Formfindung auf die Architektursprache eines Hauses, findet das Atelier- und Wohnhaus der Arps im Architekturdiskurs der Moderne bis heute keine wesentliche Berücksichtigung.

Essay | Essai | Saggio
Gianna A. Mina
La casa e l’atelier dell’artista
Un autoritratto «a futura memoria»

Dossier 2
Priska Held Schweri
Atelier Hermann Haller
Die wiederbelebte Werkstatt eines Schweizer Bildhauers von internationalem Rang

Zusammenfassung
Das Atelier Hermann Haller und der Le-Corbusier-Pavillon, dicht nebeneinander auf städtischem Terrain an der Höschgasse, werden sommers von Tausenden besucht. Das internationale Publikum vermag zwischen den optisch konträren Bauten die Brücke zu schlagen und persönlichen Gewinn aus beiden zu ziehen. Im Atelier schätzt der Besucher die Atmosphäre mit den erhaltenen Figuren in der originalen Werkstatt des europäisch vernetzten Plastikers Hermann Haller (1880–1950); im Le-Corbusier-Pavillon ist die Designsynthese des Architekten Le Corbusier (1887–1965) inspirierend. Beide Häuser sind heute stadtzürcherische Museen.

Dossier 3
Simon Baur
Orte der Sichtbarmachung
Zu einer Phänomenologie des Künstlerateliers

Zusammenfassung
Eine Typologie des Künstlerateliers existiert nicht. Jede Künstlerin und jeder Künstler haben ihren individuellen Arbeitsraum ¬¬– mit und ohne Werke, mit Arbeitsmaterialien und Erinnerungsstücken, doch alle mit einer ganz individuellen Atmosphäre. Künstler haben ihre eigenen Orte der Inspiration. Dort entstehen jene Impulse, die zu ihren Ideen und Möglichkeiten verhelfen. Die Transformationen zu Kunst, also zu Produkten, stehen am Schluss dieses Prozesses zwischen Nichts und Sichtbarkeit. Wie Kunst sich ereignet, ist nach wie vor ein Mysterium, dem wir nicht auf die Schliche kommen. Denn der menschliche Verstand und die Gefühle gehen ihre eigenen und unerklärlichen Wege. Ein Blick hinter die Kulissen und in die Ateliers hilft uns allerdings, in den Spuren künstlerischer Produktion und Inspiration zu lesen. Fünf Künstler aus der Schweiz – Silvia Bächli, Eric Hattan, Markus Raetz und Andres Lutz und Anders Guggisberg – erzählen im Gespräch von ihrem Atelier als Arbeitsort und von den Orten ihrer Inspirationen.

Dossier 4
Dominik Müller
Klause – Werkstatt – Liebesnest – Salon
Literarische Atelierschilderungen bei Gottfried Keller und anderen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts

Zusammenfassung
«Was treiben sie denn in ihren Ateliers, diese angehimmelten, diese beargwöhnten Künstler?» Der Künstlerkult des 19. Jahrhunderts machte solche Fragen interessant. Aufschluss gibt heute die People-Presse, jedenfalls über die Stars unter den Künstlern. Im 19. Jahrhundert konnte das bürgerliche Lesepublikum seine Neugier auch bei der Lektüre von Künstlererzählungen und -romanen stillen. Um diese zu bevölkern, wurden so viele Künstlerfiguren erschaffen, dass sie «Eine Enzyklopädie fiktiver Künstler» füllen. Die Schilderung von Ateliers war dabei ein erzählerisches Mittel, diesen Figuren Leben zu verleihen: Sage mir, wo du wohnst und arbeitest, und ich sage dir, wer du bist. Unter den Ateliers, welche in diesen fiktionalen Erzähltexten europäischer Schriftsteller geschildert werden, lässt sich die Vielfalt in mehrere Typen unterscheiden: Klause, Werkstatt, Liebesnest und Salon.

Dossier 5
Vincent Chenal
Ateliers d’artistes à Genève
Reflets de la vie sociale aux XVIIIe et XIXe siècles

Zusammenfassung
Künstlerateliers in Genf
Im 18. und 19. Jahrhundert nutzten die Genfer Künstler in ihren Werken ihre Ateliers als regelrechte Theaterbühnen. Während bei diesen Inszenierungen – in Genf wie im Ausland – das soziale Leben der Künstler im Vordergrund stand, beschäftigten sie sich in gewissen Fällen auch mit spezifischen Forderungen gegenüber den lokalen Verhältnissen. Die auf Bildern und in der Literatur dargestellten Ateliers sind nun nicht mehr blosse Ansammlungen von Kunstwerken. Mit den Mitteln der Karikatur und in der Kunstkritik fokussieren sich die Werke zunehmend auf das karge Leben der Maler in einer Stadt, in der nur wenige Kunstliebhaber bereit sind, ihre Bilder zu kaufen. Ab Beginn der Aufklärung versuchen die Künstler, sich mit Selbstbildnissen im Rahmen ihrer Wirkungsstätten in höheren soziale Gesellschaftsschichten anzusiedeln. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird das Atelier zum eigenständigen Thema, das den Erfolg des Bürgertums illustriert und vor allem die künstlerische Produktion durch den Empfang von Kunstliebhabern zur Geltung bringt.

Dossier 6
Roland Scotti
Hans Arp: Wohnatelier und Neues Depot in Locarno-Solduno
Das letzte Atelierhaus des Künstlers Hans Arp

Zusammenfassung
In Locarno, mit Ascona seit 1900 ein Zufluchtsort moderner Künstler, findet man in dem Anwesen Ronco dei Fiori einen Ort, der einen intensiven Blick auf das Leben und Werk des Avantgardisten Hans Arp ermöglicht. In einer seit 1959 strukturell fast unveränderten Umgebung spürt man noch immer die Anwesenheit des Künstlers und seiner Gattin Marguerite: eine Bescheidenheit und Ruhe, die ab April 2015 durch die Neueröffnung eines Depots mit Schauraum in beschränktem Mass öffentlich wird.www.fondazionearp.ch

Interview | Interview | Intervista
Mascha Bisping
«Ich würde nichts ändern wollen»
Im Kanton Appenzell Ausserrhoden arbeitet der Künstler Albert Oehlen in ländlicher Umgebung in seinem 2004 von den spanischen Architekten Abalos+Sentkiewicz Arquitectos+Enguita & Lasso de la Vega gebauten Atelierhaus. Ein Gespräch über Arbeitsatmosphäre, die Inspirationen von Stadt und Land und die Besonderheiten seines Atelierbaus.

Aktuell | Actuel | Attuale
Billet de la direction
Weshalb gibt die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte Kinderbücher heraus?

Focus
Bianca Burkhardt
Vom Basler Münster in die Deponie: ein aufgefundener Christus vom Hauptportal
Focus
Zara Tiefert-Reckermann
Ein Durchbruch in der gebäudeintegrierten Photovoltaik: Weisse PV-Module vom CSEM in Neuenburg entwickelt

Im Themenheft «Glas in der Architektur» (k+a 1/2014) berichteten wir über die aktuellen Möglichkeiten von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Interviewpartner Patrick Heinstein von der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) stellte die im Rahmen des Archinsolar-Projekts entwickelten PV-Module auf Dünnschichtbasis vor, die aufgrund ihres Erscheinungsbilds eine interessante Alternative zu herkömmlichen PV-Modulen – auch auf historischer Bausubstanz – darstellen. Ende Oktober präsentierte das Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie (CSEM) eine neue PV-Technologie: weisse Photovoltaikmodule. Der Kunsthistoriker und Produktdesigner Patrick Heinstein erklärt im Gespräch mit k+a, was es damit auf sich hat.

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Preis: CHF 25.00
Preis für GSK Mitglieder: CHF 20.00
Abbildungen: 105
Seitenzahl: 76
Reihe: Kunst + Architektur
Orte / Gemeinden: Schweiz / Suisse / Svizzera
Autoren: Diverse
Artikelnummer: K+A 2015.1
Inhaltssprache: Deutsch, Französisch, Italienisch
Erscheinungsdatum: 25.03.2015
ISBN: 978-3-03797-185-7
Verlag: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte
Bestellungen: über Webshop (www.gsk.ch) oder Buchhandel